Die besonderen Sinne
Die Alten erzählen uns von Avalon, dem herrlichen Garten der Götter, in welchem die ersten Menschen leben durften und in welchen die Seelen der Verstorbenen zurückkehren. Man hat diesen Garten gesucht und Vermutungen angestellt, wo er sich vielleicht einst befunden habe. Näher kommen wir dem, wenn wir es nicht als Ort betrachten, sondern als Bewusstseinszustand dieser ursprünglichen Menschen. Geschwisterlich verbunden leben sie in diesem Garten. Es gab keine Feindschaft zwischen Menschen und Tieren. Die Götter selber sind hier zu Hause, die Schöpfer und Eltern aller Wesen sind hier verbunden mit Ihren Kindern. Im Paradies erlebten sich die Wesen geborgen, eine Einheit mit der Schöpferkraft und aller Schöpfung.
Aber eines Tages wurden die Menschen sich Ihres „Selbstes“ bewusst und erlebten sich erstmalig als persönliche Integrität innerhalb der Natur – und damit auch als getrennt von der Einheit/Natur. Durch das Selbstbewusstsein war der Mensch in der Lage die Naturkräfte und deren Wirkungsweisen für sich zu benutzen. Er versuchte sich die Erde „untertan“ zu machen…und musste das „Paradies“ verlassen.
Zum Eingang nach „Wallhall“ führt die Regenbogenbrücke auf den leuchtenden Farben des Lichtes. Nur diejenigen die das Geheimnis kennen sind auch in der Lage auf die andere Seite in die „Anderswelt“ nach „Avalon „ zu gelangen. Auf der Erde bekamen die Menschen eine neue Heimat – die Sternenkinder materialisierten sich vollständig und bekamen somit auch ein neues Bewusstsein. Ein Traum der sich selbst träumt, ein Muster das sich selbst verwebt – und sie die Weberin verwebt sich ins Muster Ohne Anfang und ohne Ende.
Diese, unsere neue Heimat ist eine Art Lebensschule. In dieser Schule gibt es Aufgaben. Die Aufgabe der Menschen ist es, die Schöpfung zu erleben und zu erfahren, um die Schöpferkräfte in allen Werken wieder zu finden. Die zerstörte Einheit soll wieder hergestellt werden – diesmal aber bewusst. Menschen, die in dieser Lebensschule gelernt haben, werden wieder zurückkehren ins Paradies. „… und die Augen werden ihnen aufgetan, „ lesen wir z.B. in der Bibel. Es ist Zeit zu erkennen dass die Götter ständig mit uns wandeln. In der Zeit des sich Selbst bewusst werdens sind also nach und nach die Sinneswahrnehmungen der Menschen entstanden.
Die Zwölf Sinne
Unsere Sprache ist bildhaft. Wir sagen z.B.; einer sei – aus dem Häuschen -geraten, oder man müsse — bei sich selber zu Hause sein – oder ein Mensch habe einen – Dachschaden – oder er sei – weg vom Fenster -. Jeder kann sich unter solchen Aussagen etwas vorstellen. Wer weg ist vom Fenster, hat die Beziehung zur Außenwelt und zum Geschehen seiner Zeit verloren. Wer ein Haus ohne Fenster bewohnt, sitzt im Dunkeln und weiß nicht mehr, was draußen vorgeht. Die Schildbürger wollten ja einmal Sonnenlicht in ihr neues Rathaus hineintragen, weil sie die Fenster beim Bauen vergessen hatten. Der Dichter Gottfried Koller besingt dankbar seine „lieben Fensterlein“. Damit sind die Augen gemeint. Nicht der Sehsinn allein, auch die anderen Sinne vermitteln den Menschen die mannigfaltigsten Eindrücke von der Umwelt.
In der Schule haben wir gelernt, dass es fünf Sinne gibt. Die kann jeder aufzählen: SEHSINN, HÖRSINN, TASTSINN, GERUCHSSINN, GESCHMACKSSINN. Wer sich wissenschaftlich, physiologisch mit der Wahrnehmung beschäftigt, unterteilt diese Sinne und kommt je nach Richtung und Schule sogar auf sieben oder acht Sinne.
In der alten Mysterientradition sind es sogar zwölf Sinne (1+2=3).
Wie man zu feinerer Unterscheidung der Wahrnehmung und darum auch zur Beobachtung von weiteren Sinnen kommt, wollen wir am Beispiel der Blindenpädagogik zeigen. Blindenlehrer sprechen von drei Stufen des Tastens.
1. Stufe: Einen Gegenstand mit den Fingerspitzen nur leicht berühren. Dadurch entsteht ein Gegenstandsbewusstsein. Das berührte Objekt ist da, es gibt dieses Ding. Man erfährt auch etwas von dessen Beschaffenheit, es ist warm oder kalt, hart oder weich, trocken oder nass, rauh oder glatt. Durch die leichte Berührung kann auch schon ein Tastgeräusch zu hören sein.
2. Stufe: Genaueres nimmt man wahr, durch das Ergreifen eines Gegenstandes, Das kann an verschiedenen Stellen geschehen, je nach der Größe des Objektes. Beim Ergreifen erfasst die Hand die Formen. So entstehen Griffbilder. Durch die bloß flüchtige Berührung konnte nichts erfahren werden (über Formen). Vielleicht ergreifen wir den Gegenstand so, dass wir auch sein Gewicht fühlen. Das Tastgeräusch wird durch festeres Berühren deutlicher, es entsteht zwar durch Tasten, aber wir nehmen es wahr mit unserem Hörsinn. Das Gewicht erleben wir durch die Beziehung unseres Körpers zu einem Gegenstand, den wir hochheben oder tragen, wir müssen dabei im Gleichgewicht bleiben zu dem getragenen Gegenstand. Für das Erfassen der einzelnen Griffbilder ist ein Wahrnehmen der umschließenden Bewegung der eigenen Hand nötig.
3. Stufe: Noch fehlt aber eine klare Vorstellung der ganzen Form. Diese wird erst möglich durch geschicktes gegengleiches Tasten mit beiden Händen. Die tastenden Hände plastisieren die Form nach. Dabei muss der tastende Mensch über ein gewisses Koordinationsvermögen verfügen. So wirken beim Ertasten mehrere Sinne zusammen. Zum Tastsinn kommt das Hören des Tastgeräusches, die Wahrnehmung des eigenen Gleichgewichtes zum Objekt, ein Empfinden der eigenen Wärme im Vergleich zur Wärme des Gegenstandes und ein Erspüren der eigenen Bewegung beim Erfassen der ganzen Form. Zu den von der wissenschaftlichen Schule her bereits bekannten Sinnen haben wir so drei weitere entdeckt:
Den GLEICHGEWICHTSSINN, den WÄRMESINN und den BEWEGUNGSSINN. Beim Tasten fällt der Bewegungssinn auf, weil sich die Bewegungen der tastenden Hände gut beobachten lassen. Nur durch den Tastsinn allein bildet sich aber keine Vorstellung von einer Form.
Wer meint, der Sehsinn sei Alleinherrscher und könne selbstherrlich farbige Formen wahrnehmen, täuscht sich. Das Auge vermittelt nur den Eindruck der Farbe, nicht die Form – diese offenbart sich durch den Bewegungssinn. Der Sehsinn vermag ja nicht das Auge zu bewegen, diese Aufgabe erfüllen die Augenmuskeln. Es sei darauf hingewiesen, dass der Mensch beim Sehen feine Bewegungen ausführt, innere Bewegungen, die ihm nicht bewusst werden, die ihm aber doch das Sehen der Form ermöglichen. Gehört zum Sehen nicht auch eine feine, fast unbewusste Wahrnehmung von Wärme? Man spricht ja von warmen und kalten Farben. Ein Kind wollte von seiner Tante wissen, ob der Regenbogen warm oder kalt sei. Das Wärmeempfinden in den Farben ist eine feine Betätigung des Wärmesinns. Der ganze Körper wird Organ dieser Wahrnehmung. Wer sich bewusst der Wahrnehmung von Wärme hingibt, lernt Unterschiede kennen, die nicht als Temperaturen messbar sind. Wie Lebloses und Belebtes in unserer Umgebung verschiedene Töne erzeugt, so wärmt auch die Sonne anders als eine elektrische Glühbirne oder eine Kochplatte, was sich wiederum nicht vergleichen lässt mit der Wärmeausstrahlung eines Feuers oder einer Kerze. Feinschmecker schätzen Brot, das auf Holzfeuer gebacken wird und nicht im elektrischen Backofen, Verschiedenartige Wärme verändert also auch den Geschmack. Ob eine bestimmte Wärme oder Farbe wohltut oder unangenehm ist, ob wir bekömmliche Nahrung genießen und genug schlafen, das alles beeinflusst unsere Stimmung und führt zur Selbstwahrnehmung, dem LEBENSSINN . Von diesem Sinn hängt Behagen und Unbehagen ab. Viele Menschen sind sehr abhängig von den Einwirkungen der Umgebung auf ihren Lebenssinn. Der SPRACHSINN, der GEDANKENSINN und der ICHSINN kommen hier hinzu. Was damit gemeint ist, soll hier kurz erklärt werden: Weil wir unsere Gedanken in Worten mitteilen, glauben wir, das Denken sei nicht zu trennen von der Sprache, Dass Denken ohne Sprache möglich ist, erlebt, wer etwas Schwieriges aussprechen oder schreiben will und genau weiß, was er zu sagen hat, aber nicht weiß, wie er es sagen kann. Er ringt um den passenden Ausdruck, der seine Gedanken nicht verfälscht. Wer sein Wissen nicht oberflächlich und verantwortungslos in die Welt setzt, muss zuerst nachdenken und dann sorgfältig formulieren und der Zuhörer oder Leser muss ein Verständnis entwickeln für das Gesagte oder Geschriebene. Er muss verstehend die Gedanken des Anderen wahrnehmen.
Was er aufnimmt, muss mehr Gedanken, den ganzen Aufbau logisch selber nachvollziehen ohne sich zu erinnern an die Formulierungen, durch die ihm das Wissen vermittelt wurde. Der Sprachsinn selber ist nicht abhängig von ausgesprochenen Worten. Ein begabter Papagei, der viele Worte nachplappert, hat trotzdem keinen Sprachsinn. Ein Mensch kann Gesprochenes oder Geschriebenes ersetzen durch Morse- oder Klopfzeichen. So werden Zeichen zu Vermittlern von Gedanken, zu Sprache. Sprachsinn und Gedankensinn sind zwei getrennte Sinne, aber wie Bewegungssinn und Sehsinn wirken sie eng zusammen und ermöglichen den Menschen, sich zu verständigen.
Der Ichsinn nimmt einen Mitmenschen wahr als Persönlichkeit. Wenn jemand an sein Ich denkt und das Wort Ich ausspricht, meint er damit sein eigenes Seelisch-Geistiges Zentrum. Anders ist es, wenn man sich einem Mitmenschen gegenüber so verhält, dass man in ihm nicht nur ein Gegenüber, ein Du anspricht, sondern ihn empfindet als ein Ich, eine gleichwertige Persönlichkeil. Dieses andere Ich hat denselben Ursprung und denselben Wert wie das eigene Ich. Dass ein Ich in ihm lebt, macht ihn eben gerade zum Mitmenschen. Vereinsamte Menschen befreunden sich mit Tieren. Diese sollten ihnen die Beziehung zum Menschen ersetzen. Sie sollen ein Du, ein Gegenüber, ein Freund sein. Zwischen Mensch und Tier gibt es schöne und bereichernde Beziehungen, aber man wird bei Hunden oder Katzen nie einem menschlichen Ich begegnen. Das Tier ist von anderer Wesensart als der Mensch, auch wenn man es liebt und behandelt wie ein Du. Der Unterschied von Beziehungen zu Menschen oder zu Tieren lässt die Bedeutung des Ichsinns erahnen. Wer sich das einmal klarmacht, kann im Menschen nicht mehr die höchst entwickelte Art der Säugetiere sehen. Auch eine Einteilung in wertvolle oder minderwertige Menschen, je nach Zugehörigkeil zu einem Volk oder einer Gruppe, ist dann nicht mehr möglich. Die Betätigung des Ichsinns führt zur Erfüllung des höchsten Gesetzes der Liebe Wer das Ich des anderen wahrnimmt und erkennt, dass es von der Qualität etwas ist wie mein eigenes Ich, der kann erst wirklich erfahren, wer sein Nächster ist. Selbsterkenntnis und Erkennen des Nächsten, Liebe und Geduld mit seinem eigenen, sich entwickelnden Ich wie mit dem Ich des anderen Menschen, das gehört zusammen wie Sehsinn und Bewegungssinn und führt zur Liebe.
SINNESTORE ÖFFNEN
„Du schaust nach Abend, rief die Frau, Du tust wohl daran, dort gibt’s viel zu tun; eile nur, säume nicht. Du wirst überwinden. Aber zuerst überwinde Dich selbst.“ (Goethe, Novelle)
Das Thema „Sinnespflege“ – wobei auch „Gefährdung und Heilung der Sinne“ und „Schulung der Sinne“ inbegriffen ist – wird gegenwärtig oft und gerne besprochen. Es ist „in“, wie man heute sagt. Man weiß auf diesem Gebiet gar viel („und möchte alles wissen“); man sucht neue Einsichten und gibt sich gegenseitig Rat und Auskunft. Ärzte und Pädagogen, Psychologen, Künstler und Therapeuten aller möglichen Richtungen äußern sich und finden stets eine interessierte Hörerschaft.
Längst Gesagtes wieder sagen,
Ach! ich hab es gründlich satt.
Phantasie Rosse an den Wagen!
Fackeln in die alte Stadt!“
Dieser herausfordernde Ruf von Christian Morgenstern kann ein Motto sein, unter dem an diesem Bewusstseins Stand die Erkenntnis-Suche aufgenommen wird.
Der Dienst der Sinne
Worum geht es in der Magie? Wir Menschen sind von Natur mit Sinnesorganen ausgerüstet. Sie sind für uns Fenster und Türen, durch welche die Welt zu uns hereinnehmen“, also ihre wahre Gestalt erkennen.
Traurig ist es, wenn von Geburt an oder aber durch Krankheit, Unfall, Altersschwäche einzelne Sinnesorgane ausfallen. Wir müssen dann mit einem eingeschränkten Wahrnehmungs-Bild zurechtkommen. Dem Blinden fehlt die Licht-Welt, dem Tauben die Ton-Welt, jeder unserer Sinne, der ordentlich funktioniert, erschließt uns einen eigenen Wirklichkeitsbereich. Alle die Sinnes-Gebiete, die uns zur Verfügung stehen, ergeben zusammengenommen unser Welt-Bild. Je genauer der einzelne Sinn seine Aufgabe erfüllt, desto „schärfer“ tritt die jeweilige Facette des gebündelten Bildes hervor; je mehr verschiedene Sinne zusammenwirken, desto Wirklichkeitsechter kann der Gesamteindruck unserer Wahrnehmungswelten sein.
So ist die Frage berechtigt: Wie würde unsere „Weltanschauung“ sich verändern, wenn uns noch weitere Sinne zu den gewohnten, naturgegebenen hinzugeschenkt würden? Ganz gewiss würde sie sich bereichern. Wir würden nach einiger Zeit sagen: Vorher hat uns Wesentliches zum vollen Wirklichkeitsbild gefehlt; wir verstehen gar nicht mehr, wie wir uns mit dem früheren Zustand zufrieden geben konnten. Es würde uns, wenn wir das neuerworbene Organ wieder hergeben müssten, die verbleibende Weltsicht verarmt und unvollständig vorkommen. Kurz, es würde uns gehen, wie dem durch Operation geheilten Blindgeborenen. Um keinen Preis würde er auf das Licht, das ihm so vielfarbigen Reichtum schenkt, wieder verzichten wollen.
Reden wir jetzt von reinen Hypothesen, von haltlosen Phantasien? Oder ist es vernünftig, nach der Möglichkeit Ausschau zu halten, wie der Mensch sein Sinnespanorama erweitern kann? Also davon, ob und wie zu den natürlichen Sinnen neue „übernatürliche“ (ESP/ASW)hinzutreten können. Das Thema heißt nunmehr „Sinne jenseits der Sinne“ oder „übersinnliche Sinne“; jedenfalls geht es um Bestandserweiterung. Sinnes-Pflege kann auch in dieser Bedeutung verstanden werden: Wer ein Lebendiges hegt und pflegt, der will nicht nur Vorhandenes erhalten, er will auch neues Leben ziehen und züchten. Er will, um das Schlichteste zu sagen, erreichen, dass das grüne Blattwerk bunte Blüten aufsetzt.
Was ist ein Sinnes-Organ?
Versuchen wir zunächst zu klären, was ein Sinnesorgan ausmacht. Um die Fenster- oder Türenfunktion zu erfüllen, müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken. Als erstes ist die Lage, die lokale Situation zu bedenken, die Schwelle, an der ein Begegnen von äußerer Welt und innerem Bewusstsein stattfinden kann. Als Hauptsache wird uns die Eigenschaft der Empfänglichkeit erscheinen. Sie muss darin bestehen, dass eine stoffliche Rücknahme, eine Art Materialverzicht eintritt, dass also, im Bild gesprochen, die Wand durchbrochen und damit durchgängig gemacht ist. Im Organismus leisten diesen Dienst die eigentlichen Sinneszellen (Rezeptoren), die ein Minimum an organischer Substanz so kunstvoll aufbereitet enthalten, dass ein sensibles Mitschwingen mit der feinsten ankommenden Umwelteinwirkung möglich wird. – Sodann müssen Vorrichtungen gegeben sein, um den empfangenen Eindruck weiterzuleiten und dorthin zu befördern, wo er „wahrgenommen wird. Reizleitungen müssen zur Verfügung stehen, die elektrische Signale weitergeben, welche von chemisch-physikalischen Veränderungen ausgehen und wiederum solche hervorrufen; Transmitterstoffe sind nötig, die an den „Schalterstellen“ die Kontakte ermöglichen. Schließlich sind einzelne Gehirnbezirke zuständig, die die Informationselemente auffangen, akkumulieren und gesamthaft dem Seelenwesen so anbieten, dass ein neuer Bewusstseinsinhalt auftaucht. Wir sehen also, eine grosse Vielzahl von Wirkkomponenten ist beteiligt, um das hervorzubringen, was man die Leistung eines Sinnesorgans nennen kann. Diese ist ein Gemeinschaftswerk im Organischen. Sollte das ein Schlüssel sein zum Begreifen einer höheren Ordnung von „Sinnen“, wo das Gemeinschaftswerk im Zusammenwirken von bereits gegebenen „Bewußtseinen“ besteht?
Neue Augen und Ohren
Über die Frage, ob der Mensch mit seinen „fünf Sinnen“ zufrieden sein kann, oder ob er sich eigentlich zusätzliche neue wünschen muss, haben zwei sehr bekannte und sehr ungleiche Denker beispielhaft nachgedacht: Martin Luther und Karl Marx.
Von Luther stammt der ebenso knappe wie einprägsame Spruch: „Der Glaube ist ein neuer Sinn, weit über die fünf Sinne hin.“ Kurz und bündig postuliert der evangelische Reformator, dass jedenfalls Bedarf besteht, über die Welt der fünf Sinne hinauszukommen. Er lässt keinen Zweifel, dass er etwas Gewichtiges meint, wenn er ausdrücklich einen „neuen Sinn“ einführt. Es gehl um eine „religiöse“ Dimension, so viel ist klar. Leider hat Luther sich darüber hinaus offensichtlich wenige Gedanken über die Inhalte des von Ihm postulierten Gedankens gemacht. Doch es bleibt offen, was nun eigentlich mit dem Ausdruck „Glaube“ hierbei angesprochen ist. Die lebensfeindlichen Aussprüche z.B. über Frauen und der 7 Punkte Plan zur „Judenverfolgung“ lassen jedenfalls ein ziemlich beschränktes Weltbild erkennen.
Viel bestimmter drückt sich Karl Marx aus. Es mag vielleicht nicht sehr opportun erscheinen, 2007, nach dem weltweiten Popularitätsverlust des marxistischen Systems den Begründer dieser Lehre als Sachverständigen zu zitieren. Doch sollte man nicht Inhalt und Sache verwechseln. Und es ist bei den magisch geschulten Menschen so viel vorurteilslose Objektivität zu erhoffen, dass eine Marx’sche Idee in ihrem ideellen Kern gewürdigt werden muss, auch wenn gerade der „real existierende Kommunismus“ eine massive politische Niederlage erlitten hat.
Tatsächlich hat der Hegelschüler in seinen frühen Schriften („Pariser Manuskripte“) Erkenntnisansätze gemacht, die in ihrer Bedeutsamkeit vielfach übersehen und zum Teil bis heute ungenutzt und unverstanden geblieben sind. Dazu gehört folgende philosophische Entdeckung: Ausgehend von der Diagnose der „Entfremdung“
des Menschen, wird die Frage aufgeworfen, wie dieser misslichen Situation aufzuhelfen sei, und die Antwort kann nur lauten: durch eine möglichst allseitige und Marx sagt hier „allsinnige“ – Aneignung der Welt durch die Menschenseele.
Was ist hier mit „allsinnig“ gemeint? Marx beschreibt die „menschlichen Verhältnisse zur Welt“, indem er die Sinnesfähigkeiten aufzählt: „Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen …“ Doch will er es hierbei nicht bewenden lassen; er fährt fort: „…Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Lieben …“ Offenkundig sucht er nach zusätzlichen Möglichkeiten der elterfahrung.
Aber auch bei den jetzt aufgeführten kann er nicht stehen bleiben. Er sieht in den genannten „Verhältnissen“ des Menschen „Organe seiner Individualität“ und tastet“ sich nun weiter; er vermeint, ganz neue Möglichkeilen aufzutun, wenn er solche „Organe, welche unmittelbar in ihrer Form als gemeinschaftliche Organe“ gegeben sind, in Betracht zieht. Er nennt das, was für ihn ein philosophischer Fund ist, auch „gesellschaftliche Organe“ und erklärt, dass diese sich bilden durch und in der „Tätigkeit unmittelbar in der Gesellschaft mit anderen“. Es ist für ihn etwas Großes und Zukünftiges damit ausgesprochen. Denn wie „die Bildung der fünf Sinne eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte“, so müsste in seiner Sicht die Ausbildung der neuen Organe eine Aufgabe der zukünftigen Entwicklung der Menschheit sein.
Was hat der Denker dabei im Sinn gehabt? Man fühlt, dass hier etwas Bedeutendes gewissermassen zwischen Marx und Murks auf der Strecke geblieben ist. Ein Erkenntniskeim, der heute erst zur Entfaltung gebracht werden kann.
Gehen wir noch einmal zu Luther zurück. Für ihn war der „Glaube“ der „neue Sinn“. Er hat die Dimension der zu erschließenden neuen Wahrnehmungsorgane als eine religiöse Doktrin bestimmt. Marx hat sie als gemeinschaftlich beschrieben. Was haben die beiden Gedankenpioniere einander zu sagen? Der eine ergänzt und belehrt die Gedanken des anderen.
Sieben neue Sinne
Die religiöse Praxis hat von jeher darin bestanden, heilige Handlungen (Rituale) in Gemeinschaft zu vollbringen, um die Seelen aufzuschließen, um die Gegenwart des Göttlichen herbeizuführen. Man hat diese Handlungen aus gutem Grund und in sinnvoller Tradition „Mysterien“ genannt. – In vorchristlicher Zeit wurden durch die Mysterien einzelnen hoch entwickelten Seelen Geistorgane geöffnet; jetzt sollte durch die Naturreligion eine solche. „Einweihung“ für alle „Gläubigen“ möglich werden‘. Später wurde dafür der lateinische Ausdruck „sacramentum“ angewandt; unter .diesem Sprachgebrauch hat sich die ursprüngliche tiefere Bedeutung durch das aufkommende Christentum allmählich verloren. Dem Sakrament muss sein Mysteriensinn heute wieder neu gegeben werden.
Siebenfarbig – wie ein Regenbogen – wird das neue Sinnenleben, denn es gibt sieben Sakramente (Mysterien) in der alten traditionellen Lehre.
Karl Marx müsste sich freuen, zu erfahren, wie sich sein philosophisches Postulat als Lebenswirklichkeit erweist, wenn durch die Mysterien (Sakramente) tatsächlich Menschengrüppen zu vielfältigen gemeinschaftlichen auch „übersinnlichen“ Wahrnehmungen kommen (Morphische Felder).
In der sakramentalen Tätigkeit unmittelbar in der Gesellschaft mit anderen geht das neue Sehen anschaulich auf. Jeder Beteiligte ist dabei ein wichtiger Funktionsträger, sei es mehr sensibler – sensitiver, vermittelnder oder hervorbringender Art; aus der Summierung aller Teiltätigkeiten ergibt sich die Gesamt-Organ-Funktion.
Dieses gilt für alle kultischen „Mysterien“, wie sie weltweit an besonderen Verehrungsplätzen und auch persönlich im Verborgenen durch die wissenden und Eingeweihten vollzogen werden.
Es ist an der Zeit, in der abendländischen Kultur den Sinn der Naturreligion neu zu begreifen. Dazu ist noch manche Erkenntnisarbeit zu leisten, von der hier nur die Richtung aufgezeigt werden kann.
Nachbemerkung
Wenn hier zu den fünf vordergründigen Sinnen gerade sieben weitere gemeinschaftliche aufgezeigt werden und so eine Zwölfzahl erscheint, steht dies überhaupt nicht im Widerspruch oder in Konkurrenz mit anderen philosophisch – magischen Systemen. Es handelt sich vielmehr um einen uralten vorchristlichen Ansatz von menschliche Perspektiven auf dem Weg nach Erkenntnis und Wissen.